Bei dem Spielfilm Die Blumen von Gestern von Chris Kraus kann man sich schwer entscheiden, ob man ihn toll finden oder in der Luft zerreißen soll. Ein Holocaust-Forscher, der seit zwei Jahren eine Ausschwitz-Konferenz vorbereitet, bekommt einen neuen Vorgesetzten vor die Nase gesetzt und eine französische Praktikantin aufs Auge gedrückt. Zwischen dem manisch-depressiven Holocaust-Forscher und der gestörten Praktikantin, deren jüdische Oma in Auschwitz vergast worden ist, entwickelt sich eine aberwitzige Liebesgeschichte. Es stellt sich heraus, dass ihre beiden Vorfahren sich kannten. Die Stärke von Chris Kraus ist es, psychisch gestörte Menschen auf die Realität prallen zu lassen und sie dann einen Weg aus dem emotionalen Chaos finden zu lassen. Die Liebesgeschichte ist toll erzählt. Da traut sich ein Regisseur wieder einmal voll auf die Kacke zu hauen und man wünscht dem Film jeden Erfolg, den er verdient.

Was aber an diesem Film extrem ärgerlich ist, sind zwei Dinge:

Erstens wird im Film – wie ein Grundmotiv – immer wieder erzählt, dass sich der Forscher sterilisieren hat lassen und deswegen keinen Sex mehr haben kann. Seine Frau bekommt deswegen Zeiten zugewiesen, in denen sie mit anderen Männern Sex haben darf. Erektionsstörungen haben aber nichts mit einer Sterilisation zu tun. Jedes Kind weiß heutzutage, dass ein sterilisierter Mann eine Erektion und einen Samenerguss haben kann, die Samenzellen sind nur eben nicht fruchtbar. Außerdem gibt es auch andere Formen von Sexualität, die mit Zärtlichkeit und Berührung zu tun haben. Dass die Ehefrau sich auf dieses Spiel einlässt und sich nicht um eine intime Nähe zu ihrem Mann bemüht, macht sie im Film zu einer schwachen und uninteressanten Figur. Die Liebe zwischen den beiden bleibt eine bloße Behauptung und wird durch den physisch nicht sehr anziehenden Lars Eidinger auch nicht glaubwürdig verkörpert. Das Gefühl impotent und nicht liebenswert zu sein muss anders erzählt werden. Die penetranten Hinweise auf die Sterilisation sind inhaltlich falsch und schaden der Wahrhaftigkeit der Geschichte.

Zweitens spielt ganz am Ende, nachdem die beiden Hauptprotagonisten ihre Liebesgeschichte mühsam auf einen doch hoffnungsvollen Zustand gebracht haben, plötzlich etwas aus der Jugend des Holocaust-Forschers eine viel zu große Rolle und entwertet die ganze Liebesgeschichte. Die schauspielerische Leistung von Lars Eidinger und vor allem Adèle Haenel, die man in dem Meisterwerk Das unbekannte Mädchen der Gebrüder Dardenne entdecken konnte, sind großartig. Aber man hätte sich Jan Josef Liefers auch in der Rolle von Lars Eidinger vorstellen können. Dass eine hübsche junge französische Frau sich in Lars Eidinger verliebt, muss man als (männlicher) Zuschauer erst einmal schlucken, denn so richtig nachzuvollziehen ist es im Film eigentlich nicht.