Das Erzählkonzept der Serie Prison Break ist bestechend einfach. Michael Scofield (Wentworth Miller) versucht seinen Bruder aus dem Gefängnis zu befreien, der in der Todesszelle auf seine Hinrichtung wartet für einen Mord, den er nicht begangen hat. Michael begeht er ein Verbrechen und schafft es im selben Gefängnis untergebracht zu werden wie sein Bruder. Die akribisch geplanten Ausbruchspläne hat er auf seinen Körper tätowieren lassen.

Die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Serie sind: widersprüchliche Figuren und die Beziehungsgeschichten der Protagonisten. An Prison Break kann man exemplarisch sehen, wie diese Gesetzmäßigkeit umgesetzt wurde. Michael Scofield ist ein positiver Held und genialer Planer, der seinen unschuldigen Bruder aus dem Gefängnis holen will, für die Justiz und damit für die Gesellschaft ist er hingegen ein rechtmäßig verurteilter Schwerverbrecher. Für den Ausbruch ist Michael Scofield gezwungen, mit verschiedenen Gefängnisinsassen, die Bestandteil des Ausbruchplans sind, eine Beziehung aufzubauen. Die Schwerverbrecher wiederrum, die asozial, gewalttätig und egozentrisch sind, müssen ein soziales und solidarisches Engagement aufbringen um an ihr gemeinsames Ziel, den Ausbruch, zu kommen. Alle Protagonisten müssen sich gegen ihre Natur verhalten: der Gute wird zum Kriminellen und die kriminellen Mitinsassen müssen sich sozial verhalten. Plakativer kann man Widersprüchlichkeit erzählerisch kaum anlegen. Das Besondere an Prison Break ist, dass die Widersprüchlichkeiten der Protagonisten nicht psychologisch begründet sind, sondern durch ihr Funktion und den äußeren Umständen, die den Personen aufgezwungen worden sind.

Die Serie hat leider auch erhebliche erzählerische Schwächen. In einer Geschichte, wo der Ausbruch und die äußeren Umstände so akribisch bis ins letzte Detail genau erzählt werden, muss auch die Verschwörungsgeschichte um Michael Scofields Bruder Lincoln Barrow glaubwürdig und vorallem intelligent erzählt werden. Außerhalb des Gefängnisses versucht eine Anwältin juristisch die Todesstrafe abzuwenden und den tatsächlichen Tathergang zu ermitteln. Lincoln soll den Bruder des Präsidenten der Vereinigten Staaten ermordet habe und im Laufe der Zeit kommen Zweifel auf, ob der Mord überhaupt stattgefunden hat. Ein Mord in einem so prominenten Umfeld hätte ein enormes mediales Interesse. Die Vertuschungen und das Verhalten der Protagonisten bezüglich der Verschwörungsgeschichte sind sehr eindimensional und geradezu naiv erzählt. Es wird so getan, als hätten die FBI-Beamten keine andere Wahl als ihre Befehle und Mordaufträge auszuführen.

 

Die Drehbuchautoren machen erzählerisch reichlich Gebrauch von Erpressungen, den Frauen und Kindern der Protagonisten ein Leid zu zufügen.

Die zweite Staffel erzählt von der Fluchtgeschichte der entflohenen Häftlinge und den Verwicklungen der Gefängnisärztin von Fox River, die sich in Michael Scofield verliebt hat. Mit einer Fluchtgeschichte kann man immer Spannung erzeugen, da die Protagonisten permanent in Gefahr sind, gejagd oder gefasst zu werden. Nachdem die entflohenen Häftlinge das Geld gefunden haben, das zu Michael Scofields Ausbruchplan gehört hat, ist es mit der Solidarität allerdings vorbei. Die Kriminellen stellen ihre persönlichen Ziele wieder über das gemeinsame Interesse, in Freiheit zu bleiben. Sei es dass sie unbedingt Kontakt mit ihren Familien aufnehmen wollen, sei es dass sie sich gegenseitig das Geld stehlen wollen, jeder kämpft wieder für sich alleine und nicht wenige scheitern bei ihrem Vorhaben. Die Sehnsucht im Prinzip von allen Protagonisten auf beiden Seiten, bei den entflohenen Häftlingen wie auch den korrupten FBI-Agenten, ist es, zurück zu ihren Familien kehren und ein normales Leben führen zu können. Die Naivität dieses Wunsches steht im vollen Gegensatz zur kriminellen Intelligenz aller Beteiligten. Erzählerisch wird dieser Gegensatz zwischen Intelligenz und Naivität nie befriedigend in Einklang gebracht, sondern nur dazu benutzt um die Handlungslinien in die eine oder andere Richtung voranzutreiben.

Dies betrifft auch die Verschwörungsgeschichte, deren Schwächen im Laufe der Geschichte immer deutlicher werden. Warum es so wichtig war, Lincoln Barrow einen Mord anzuhängen, den er nicht begangen hat, wird auch in der zweiten Staffel nicht klarer. Und warum die Regierungsadministration darauf besteht, dass alle entflohenen Häftlinge getötet werden müssen, ist nirgends plausibel erklärt. Der erhöhte Druck auf die Agenten und die Mordaufträge der korrupten FBI-Leitung führen nicht zu Lösungen, sondern zu immer verwickelteren Problemen, die am Ende erzählerisch nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Verschwörungsgeschichten innerhalb von Regierungskreisen müssen sehr präzise erzählt werden wie zum Beispiel in den Serien Homeland oder Person of Interest.

Am Showdown der zweiten Staffel kann man nochmals die erzählerischen Schwächen der Serie deutlich aufzeigen. Nach einer wilden Schießerei gibt es viele Tote, aber die beiden zentralen bösen Figuren auf der Regierungsseite sind weiterhin am Leben. Anstatt zu flüchten und sich so schnell wie möglich vom Tatort zu entfernen, feiert Michael Scofield, sein Bruder und Sara, dass sie es geschafft haben. Was sie natürlich nicht haben