Staffel 1-3
Wer die ersten drei Staffeln von Homeland gesehen hat, wird das Bild nie wieder aus dem Kopf bekommen, wie der Soldat Nicholas Brody (Damian Lewis) am Ende zu Tode gekommen ist. Die Serie erzählt vom US-amerikanischen Krieg gegen den Terror und wie die Sehnsucht nach einfachen Lösungen durch den Einsatz von Gewalt in die Katastrophe führt. Die Serie ist eine einzigartige gesellschaftskritische Anklage gegen die Terrorhysterie und Hegemoniepolitik der USA im Nahen Osten. Die erzählerischen Mittel, die bei allen Staffeln eingesetzt werden, sind die Darstellungen von Schein und Wirklichkeit, sowie die Interpretation dessen, was man gerade gesehen hat. Zwischen Schein und Wirklichkeit und Interpretation verläuft die Handlung. Die Hauptfigur Carrie Mathison , die eine bipolare Störung hat, erkennt aufgrund ihrer psychischen Dissoziation und ihrer Erfahrungen im Anwerben von Agenten als einzige die Abweichungen im Verhalten des befreiten Soldaten, der neun Jahre in Gefangenschaft verbracht hat. Möglicherweise ist er ein umgedrehter Spion.
Ihr unbestechlicher Blick und ihre unbedingte Bereitschaft ins Innerste ihrer Zielperson vorzudringen –selbst wenn dies bedeutet, sich in die Person zu verlieben-, deckt die verborgenen Wahrheiten auf. Sie wird nicht ernst genommen, sie wird denunziert, verdächtigt, für verrückt erklärt, ihr wird nicht geglaubt, sie wird belächelt und degradiert, und doch überlebt sie als Heldin, weil sie der Wahrheit am Ende immer näher kommt als alle anderen. Das macht sie zu einer der außergewöhnlichsten Heldinnen des seriellen Erzählens.
Staffel 4
Wer denkt, die ersten drei Staffeln seien nicht mehr zu überbieten, wird durch Staffel 4 eines besseren belehrt. Carrie Mathison befiehlt den Drohnenangriff auf eine angebliche Terrorzentrale, die sich im Nachhinein als Hochzeitsfeier herausstellt, bei der ein ganzer Familienclan ausgelöscht wurde. Welche Auswirkungen Drohnenangriffe auf die arabische Gesellschaft haben und wie sie den Terrorismus nicht eindämmen, sondern im Gegenteil erst recht entfachen, kann man hier eindrücklich betrachten. Es geht in dieser Staffel darum, wie Informationen zustande kommen, wie sie weitergeleitet und manipuliert werden können und wie Carrie Mathison durch falsche Informationen manipuliert worden ist. Jede Information, jedes Bild und jede Person wird bis ins kleinste Detail seziert, um herauszubekommen, was wirklich geschehen ist. Carrie Matthison geht bis an die Grenze der Selbstauflösung, um an die Wahrheit zu kommen. Selbst wenn ihre gnadenlose Unbestechlichkeit für geliebte Personen in ihrem Umfeld einem Todesurteil gleichkommen.
Staffel 5
In der fünften Staffel ist Carrie Mathison nicht mehr beim CIA, sondern arbeitet als Sicherheitschefin in einer Berliner Stiftung, die Flüchtlingcamps im arabischen Raum unterstützt. Nach einem terroristischen Angriff auf eine Delegation der Stiftung, die ein Camp besucht hat, stellt sich heraus, dass nicht der Leiter der Stiftung, sondern Carrie Mathison das Ziel des Anschlages war. Das erzählerische Prinzip ist hier das Gleiche wie bei den Staffeln zuvor, Carrie verweigert einer Journalistin geheimdienstrelevante Information, sie wird dabei vom CIA fotografiert und hinterher wird interpretiert, dass Carrie Informationen an die Journalistin weitergegeben hat. Für die Stiftung ist Carrie Mathison ein Kontakt zum amerikanischen Geheimdienst, für die CIA ist Carrie Mathison eine Verräterin, und für den Zuschauer ist sie vollkommen unschuldig.
Die gesellschaftskritische Relevanz der Vorgänger hat die fünfte Staffel aber nicht mehr. Nachdem ein Hacker der CIA Dateien gestolen hat, die beweisen könnten, dass in der CIA ein russischer Spion sitzt, wird Carrie zur Gejagten. Bei dem Versuch herauszufinden, wer sie töten möchte und welche Informationen auf den gestolenen Dateien befinden, wird ein terroristischer Giftgasangriff in Berlin aufgedeckt. Die fünfte Staffel erzählt das persönliche Drama von Carrie und ist eher eine Spionagegeschichte wie bei John leCarré. Da ein thematischer Schwerpunkt wie bei den vorhergehenden Staffeln fehlt, wird Carries Abenteuergeschichte in den Mittelpunkt gerückt.
Staffel 6
Das Erzählprinzip der Serie Homeland, in der nichts so ist, wie es den Anschein hat, ist in der sechsten Staffeln genial auf die Spitze getrieben. Es ist eine enorme erzählerische Herausforderung, innerhalb des Gesamtzusammenhangs einer Serie jedem Handlungselement eine gegenteilige Bedeutungsmöglichkeit zuzuordnen.
Carrie Mathison arbeitet mittlerweile für eine Menschenrechtsorganisation, um ihrer Tochter ein geregeltes Leben bieten zu können und hat nebenbei eine geheime Beratertätigkeit für die noch nicht im Amt befindliche Präsidentin der Vereinigten Staaten angenommen. Ein Terroranschlag und die Aufnahme des gesundheitlich schwer angeschlagenen Peter Quinn in ihre Wohnung ziehen sie wieder mitten ins Zentrum des Geschehens. Bei der Aufklärung des Terroranschlags geht es um die Glaubwürdigkeit echter und falscher Beweise sowie wer mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht werden kann und wer tatsächlich dahinter steckt. Wie zwischen alle beteiligten Protagonisten ein Keil getrieben wird, sodass keiner mehr weiß, wem er glauben oder vertrauen kann, ist auf beängstigende Art und Weise gelungen.
Die mediale Wirklichkeit, die in Homeland dargestellt wird, unterscheidet sich kaum von den Nachrichten, die der Zuschauer in der Realität 2017/2018 im Fernsehen zu sehen bekommt. In einer Zeit, in der Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten ist, muss jede Aussage, jede Information und jedes Bild auf seinen Wahrheitsgehalt und die Interessen, die dahinter stecken, hinterfragt werden. Jedes Bild und jede Aussage in den Nachrichten könnte ein Manipulationsversuch sein. Die Serie fordert somit einen aktiven Zuschauer, der ein Gespür und die Vorstellungskraft für die Möglichkeiten medialer Manipulation hat.
Um was es in der sechsten Staffel aber tatsächlich geht, ist die ungeheure Tatsache, wie die USA in den letzten 150 Jahren durch Unterstützung von terroristischen Anschlägen unliebsame Regierungen (wie z.B. Iran, Nicaragua, u.a.) destabilisiert und aus dem Amt gejagt haben. Die Drehbuchautoren stellen zurecht die Frage, ob so etwas auch im eigenen Land möglich ist und wie solch ein Vorgang unter verfassungsrechtlichen Grundsätzen realisierbar ist? Auf die Frage, ob ein gelungener oder misslungener Putsch die jeweiligen Länder zu einer besseren Welt gemacht haben, finden die Autoren von Homeland eine interessante Antwort. Wie in Homeland die Innen- und Außenpolitik der USA dargestellt und kritisiert wird, ist beispiellos und macht diese Serie zu einer der aufregendsten Serien überhaupt. Die sechste Staffel von Homeland ist der Thriller des Jahres 2017.