Wenn die Scheiße so richtig am Dampfen ist, dann sagt Ray Donovan immer auf unnachahmliche Art: Jesus fucking Christ. Ray Donovan ist der legitime Nachfahre von Raymond Chandlers Philipp Marlowe. Macht und Geld interessieren ihn nicht, er handelt nach einem inneren Codex, redet nur das Mindeste und lässt jeglichen Manipulationsversuch oder sprachliche Ablenkung an sich abperlen, als wäre er ein Lügendetektor für Heuchelei und Verrat. Wer ihn einmal verraten hat, fällt aus seinem Schutzschirm heraus und hat in aller Regel genau die Konsequenzen zu erleiden, vor denen Ray Donovan ihn bewahrt hat. Ray Donovan ist ein Problemlöser, der als Privatdetektiv in den ersten beiden Staffeln für den Rechtsanwalt Ezra die Probleme gelöst hat, die durch juristische Auseinandersetzungen nicht mehr zu lösen sind. Mit einem untrüglichen Gespür für Bestechung, Bedrohung und Gewalt hält er die Welt seiner Auftraggeber und Klienten im Gleichgewicht. Und natürlich kommt es immer anders als man denkt.

Was im Beruflichen eine große Stärke ist, bedeutet für sein Familienleben eine Katastrophe. Er kann seine Probleme und Gefühle mit niemandem teilen, da allein das Wissen um seine Deals und Aktionen lebensgefährlich ist. Die Unfähigkeit seine Welt mit seiner Familie zu teilen, führt dazu, dass seine Frau fremd geht, seine Kinder aus der Reihe tanzen und seine Brüder idiotische Aktionen starten um zu beweisen, dass sie auch ohne ihn auskommen können. Der an Parkinson erkrankte Bruder Terry nimmt an einem Raubüberfall seines kriminellen Vaters Mick teil, um seine Physiotherapeutin zu beeindrucken, in die er verliebt ist. Und Bunchy, der andere Bruder, schießt dem Pfarrer, der ihn als Kind sexuell misshandelt hat, in den Bauch. Ray Donovan kann seiner Familie, die ihn permanent hintergeht, nicht den Rücken kehren, sondern muss sie ein ums andere Mal retten. Die Familie ein Mahlstein, das kennt jeder.

Um seinen Bruder Terry aus dem Gefängnis zu bekommen, verkauft Ray Donovan in der dritten Staffel sich und seine Firma an den Filmmogul Finney, der großen Einfluss auf den Senator von Californien hat. Im Wesentlichen geht es in der dritten Staffel um eine riesige Investition in ein NFL Team und den Bau eines Stadions. Allerdings sind die Familienverhältnisse der Finneys ähnlich verkorkst wie die der Familie Donovan. Ray Donovan muss einen Mord vertuschen, sich mit der Kirche herumschlagen und sich mit der armenischen Mafia anlegen, da sein krimineller Vater Mick die ganze Familie mit in den Abgrund zu zerren droht. Von der Handlung darf man eigentlich nichts weiter erzählen, da man sich das anschauen muss. Wie widersprüchlich aber alle Nebenfiguren erzählerisch angelegt sind, das wird man in der Serienlandschaft nicht so schnell widerfinden. Die Identifikation des Zuschauers mit diesen Figuren verläuft über die Tatsache, dass alle in einer gewissen Form Opfer ihrer Lebensumstände geworden sind. Ray Donovans Frau fühlt sich von ihrem Ehemann betrogen und weiß nicht ob sie sich von ihm trennen soll; seine Tochter, deren Freund in der zweiten Staffel ermordet wurde, verliebt sich in einen Lehrer, der vor kurzem seine Frau verloren hat; sein Bruder Terry hat mit seiner Parkinsonkrankheit seinen Tod vor Augen; der andere Bruder Bunchy hat auf Grund des sexuellen Missbrauchs in seiner Jugend jegliche Hoffnung auf ein normales Leben aufgegeben; und zu guter Letzt versucht Ray Donovans krimineller Vater verzweifelt einen Kontakt zu seiner Familie herzustellen und verwandelt im wahrsten Sinne des Wortes alles, was er anfasst, in Scheiße. Originalzitat Ray Donovan. Wie der Schauspieler Jon Voigt diesen Vater Mick spiel, ist atemberaubend. Und Ray Donovan ist der große Beschützer, der seine Familie nur retten kann indem er sich die Hände schmutzig macht und Schuld auf sich lädt. Ray Donovan ist wie ein Jongleur, der für jedes Problem die passende Lösung hat. Allerdings ist er kein Mann der Worte, da Worte die Probleme nicht aus der Welt schaffen. Dennoch entstehen die meisten Probleme, mit denen er sich herumschlagen muss, weil sie verheimlicht und nicht ausgesprochen werden. In der Figur Ray Donovans konzentrieren sich die Unfähigkeit und die Unmöglichkeit des Aussprechens. Unter diesem Druck droht die Figur zu zerbrechen, und wenn man als Zuschauer auch die ganze Zeit darauf wartet, dass Ray Donovan endlich einmal spricht, so wird das doch niemals passieren. Obwohl, das ist nicht ganz richtig, bei der Liebesgeschichte zwischen Bunchy und der mexikanischen Wrestlingkämpferin, die einem die Tränen in die Augen treibt, findet er dann doch einmal die entsprechenden Worte.