Staffel 1

Die Serie Heroes kommt dem Gefühl am nächsten, das man als Kind hatte, wenn man sich ein neues Abenteuercomic gekauft hat. Hier gelingt endlich einmal, was in den meisten Comic- und Superheldenadaptionen nur unzureichend umgesetzt wurde, die Comicästhetik kongenial in eine Verfilmung zu transportieren. Die Serie Heroes nimmt sich sehr viel Zeit, zu erzählen, wie die Protagonisten ihre übermenschlichen Fähigkeiten entdecken und wie sie damit in ihrem Alltag zurechtkommen müssen. Für die meisten stellt sich die Frage, wie man mit diesen Fähigkeiten ein normales Leben führen kann oder ob man mit diesen Fähigkeiten als Missgeburt aus der Gesellschaft verstoßen wird?

In der ersten Staffel sind die meisten Protagonisten normale, eindimensional angelegte Personen, die durch die Geheimhaltung ihrer Fähigkeiten automatisch in widersprüchliche Figuren verwandelt werden. Fast alle Helden werden am Anfang als gute Menschen eingeführt, die durch ihre Fähigkeiten und um die Welt vor einer drohenden Atomexplosion zu retten, gezwungen werden, andere Menschen zu töten. Die übermenschlichen Fähigkeiten korrumpieren die Persönlichkeiten der Superhelden.

Der Japaner Hiro träumt schon immer davon ein Superheld zu sein, bis er feststellt, dass er das Zeitkontinuum kontrollieren und in die Zukunft oder Vergangenheit reisen kann, der Maler Isaac Mendez malt die Zukunft, der Polizist Matt Parkman kann Gedankenlesen, Niki Sanders hat eine gespaltene gewalttätige Persönlichkeit, ihr Sohn Micah kann mit elektrischen Geräten kommunizieren, ihr Mann D.L. kann durch Wände gehen, uvm. Im Zentrum der Geschichte stehen die beiden Brüder Peter und Nathan Petrelli sowie die Cheerleaderin Claire. Nathan kandidiert als Kongressabgeordneter und kann fliegen, sein Bruder Peter kann die Fähigkeiten von allen Superhelden absorbieren, mit denen er in Kontakt kommt. Der Vater der Cheerleaderin Claire, deren Selbstheilungskräfte sie praktisch unsterblich macht, gehört einer Geheimorganisation an, welche die Personen mit den übermenschlichen Fähigkeiten überwacht. Jede Person hat eine eigene Superheldengeschichte und die Spannung wird in der ersten Hälfte der Staffel durch die Wechselwirkung zwischen Nutzung und Verheimlichung der übermenschlichen Fähigkeiten erzeugt. Aber im Laufe der Serie wird auch klar, dass die Geschichten aller dieser Helden miteinander verbunden sind.

Es gibt in der ersten Staffel zwei zentrale Handlungsstränge, mit denen alle Protagonisten immer wieder in Berührung kommen und die sie am Ende zusammenführen werden. Der eine Handlungsstrang handelt von der Prophezeiung, dass einer der Superhelden eine Atombombe über New York auslösen wird, der andere Handlungsstrang handelt von dem Serienkiller Sylar, der die Superhelden tötet, um sich deren Fähigkeiten anzueignen. Alle Helden sind also der Bedrohung Sylars ausgesetzt, getötet zu werden, und gleichzeitig ist einer von ihnen eine Bedrohung für die gesamte Menschheit.

Das widersprüchliche Moment ist nicht, wie in der Filmdramaturgie sonst üblich, in der Persönlichkeit der Protagonisten angelegt, sondern in den äußeren und inneren Bedrohungen der Handlungsstränge. In der Gegenwart der Superhelden sind fast alle Protagonisten eindimensional als gute oder böse Menschen charakterisiert, was ihre Handlungsweisen vorhersehbar macht. Was diese Serie so großartig und außergewöhnlich macht, ist die Art und Weise wie filmdramaturgische Kriterien umgedreht werden. Eindimensional angelegte Protagonisten werden gezwungen in einem widersprüchlich Handlungsstrang entgegen ihrer Persönlichkeitsstruktur zu handeln. In einer der letzten Folgen der ersten Staffel reist der Japaner Hiro in die Zukunft des zerstörten New Yorks und muss feststellen, dass sich die Persönlichkeiten von allen Superhelden in ihr Gegenteil verkehrt haben. Um zu verstehen, was in der Zwischenzeit alles passiert ist, wird die Fantasie des Zuschauers aktiviert, der die Leerstellen der Geschichte selber ausfüllen muss. Das ist Kino im besten Sinne des Wortes, wenn – zusätzlich zum auf die Leinwand oder Bildschirm projektzierten Film – im Kopf des Zuschauers ein ganz eigener Film abläuft. Am Ende kommt natürlich doch alles ganz anders. Wie soll es auch anders sein bei einem Superheldenuniversum mit mehreren Handlungssträngen in verschiedenen Zeitebenen und einem untypisch großen Ensemble an Hauptfiguren?

 

Staffel 2

Die zweite Staffel ist im Gegensatz zur Ersten völlig anders strukturiert. In der ersten Staffel gibt es erst getrennte Handlungsstränge, die sich im Laufe der Zeit überkreuzen und am Ende zusammengeführt werden, um die Katastrophe zu verhindern. In der zweiten Staffel sind die Handlungsstränge vollkommen getrennt und haben kaum noch Berührungspunkte. Die Handlungsstränge haben kein definiertes Ziel mehr und scheinen auf Unendlichkeit angelegt zu sein wie bei jeder klassischen Fortsetzungsserie.

Hiro ist im Japan des 17. Jahrhunderts und beeinflusst die Heldengeschichten seines Lieblingshelden Takezo Kensei, Parkman und Nathan Petrelli versuchen Molly zu beschützen, die Cheerleaderin Claire soll wieder ein normales Leben führen, während ihr Vater versucht seine ehemalige Auftraggeber zu unterminieren, Dr. Suresh wird von der Company angeheuert und Peter Petrelli hat es mit einem totalen Gedächtnisverlust nach Montreal verschlagen. Außerdem werden einige neue Figuren mit übermenschlichen Fähigkeiten eingeführt. Die einzige erzählerische Linie hat mit den Morden an der Elterngeneration der Helden zu tun, die in der Vergangenheit versucht haben mit ihren Fähigkeiten die Welt besser zu machen und dabei einen Virus geschaffen haben, der die Welt zerstören könnte. Immer wenn die Geschichte nicht mehr weiterzugehen droht, wird die Geschichte mit dem Virus oder ein Mord aus dem Hut gezaubert, um die nächste Szene zu motivieren und die Handlung weiterzutreiben. Das Ganze wirkt wie eine Perlenkette von Episoden und nicht wie eine Geschichte, die durch Handlungselemente aufgebaut ist. Spannung kann sich so kaum entwickeln.

Erst in den letzten vier Episoden wird erzählt, was nach dem Ende der ersten Staffel passiert ist. Und dann wird auch klar, was der Virus mit den Elterngeneration der Superheros und den Morden auf sich hat. Das grundsätzliche Problem aber ist, dass es zu viele Handlungsstränge gibt und die Protagonisten so häufig die Seiten wechseln, dass man Mühe hat, der Geschichte noch zu folgen. Und als Zuschauer fragt man sich zu Recht, warum die Protagonisten nicht einfach mal miteinander reden anstatt immer gleich jedes Problem mit Gewalt zu lösen. Man hat als Zuschauer bei der zweiten Staffel das Gefühl, dass alle Personen sich verrennen und mit den Superkräften hinterher den schlimmsten Schaden wieder gut zu machen versuchen. Erzählerisch ist es ein Problem, wenn die Helden eigentlich nicht sterben können. Die Handlung muss natürlich ihre Prophezeiungen erfüllen, aber wenn der Wissenschaftler Dr. Suresh Claires Vater ins Auge schießt und ihn hinterher mit Claires Blut wieder heilt, dann verpufft natürlich jegliches dramaturgisch Potential. So eine Erzählanlage schwächt die Figuren und die Handlung wird beliebig. Was die mysteriöse Company wirklich will, bleibt im Unklaren. Sie behauptet zwar, dass sie ein Virus entwickeln wollen, damit die Heroes wieder zu normalen Menschen werden können. Aber die Mittel, die sie anwendet, um die Kontrolle über die Heroes zu bekommen, sind derart skrupellos, dass man daran zweifeln darf, ob dies der wahre Grund ist. Anstatt eine vernünftige Lösung zu finden, wird erzählerisch Verwirrung gestiftet.

 

Staffel 3

In der dritten Staffel misslingt der Versuch, die Heroes unter die Kontrolle der Company zu bringen und alle Begabungen auf ein Mitglied der Petrelli-Familie zu übertragen. Danach werden die Heroes von der Regierung gejagt. Warum die Helden gejagt werden, wird nicht erklärt. Es steht die Behauptung im Raum, sie seien eine Bedrohung für die Regierung und Gesellschaft. Der Umgang mit Superhelden und ihre Bekämpfung durch die öffentlichen Behörden ist ein bekannter Topos in der gezeichneten Comicwelt. Im Film oder in der Serie funktioniert dieser Topos nur, wenn man ihn intelligent erzählt. In der dritten Staffel wird die Jagd auf die Helden als Grund für die zahlreichen Handlungsstränge verwendet, die vollkommen willkürlich angelegt sind und sich immer wieder überkreuzen, um den Helden Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig zu helfen oder zu retten. Es gibt kein folgenübergreifendes Handlungsziel mehr und die Beziehungen der Figuren entwickeln sich nicht weiter. Die Protagonisten wechseln zudem häufig die Seiten, was eine kontinuierliche Figurenzeichnung unmöglich macht. Die ganze Handlungskonstruktion ist vollkommen unglaubwürdig. Die Regierung jagt die Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten, die aber nicht getötet werden können und eigentlich nur zurück zu einem normalen Leben finden wollen. Und die Jäger werden nicht getötet, da die Superhelden dann ja den Vorwurf bestätigen würden, sie seine gefährlich. Für einen intelligenten Umgang mit den Fähigkeiten der Heroes wird erzählerisch schlicht und einfach keine Lösung gefunden. Am Ende der dritten Staffel spielen Gestaltwandler eine wichtige Rolle im Übergang zur vierten Staffel. Aber anstatt die Geschichte dadurch interessanter zu machen, erliegen die Autoren der Versuchung noch konfuser und willkürlicher zu erzählen. Spannung und Interesse für die Figuren kann so nicht entstehen.

 

Staffel 4

Die einzige erzählerische Linie, die man in Staffel 4 noch erkennen kann, hat mit der neuen Figur Samuel zu tun, der in seinem Zirkus alle Menschen mit besonderen Fähigkeiten zu binden sucht für ein Ziel, das bis zum Ende der Staffel im Unklaren bleibt, dann aber als die ultimative Katastrophe aufgelöst wird. In jeder Episode werden 3 Storylines verfolgt, die sich mit drei weiteren Storylines in den anderen Episoden abwechseln. Was die einzelnen Protagonisten für ein Ziel verfolgen, bleibt vollkommen unklar. Die einen erkennen in Samuel eine Gefahr, die anderen schließen sich seiner Zirkustruppe an wie die Cheerleaderin Claire, während ihr Vater wieder einmal alles tut um seine Tochter zu schützen. Die Heroes wechseln ständig ihre Sympathien und sind immer noch nicht in der Lage, ein ordentliches Netzwerk aufzubauen, wo sie untereinander kommunizieren und sich gegenseitig warnen können. Es ist vollkommen unverständlich, warum Hiro seine Macht nicht verwendet, um die Bösewichter aus dem Verkehr zu ziehen. Er müsste einfach nur die Zeit anhalten um die bösen Menschen zu überwältigen. Auch der Bösewicht Sylar ist nur noch eine Randfigur, da es andere, mächtigere Bösewichter gibt und er durch seine Gestaltwandlerfähigkeiten andere Fähigkeiten eingebüßt zu haben scheint. Zu allem Überfluss scheint er sich auch noch zu einem guten Menschen verwandelt zu haben. Und Peter Petrelli, der alle Fähigkeiten ansammeln könnte, beschränkt sich auf seine Arbeit in der Notaufnahme im Krankenhaus. Das erzählerische Konzept der Drehbuchautoren ist unlogisch, wird immer wirrer und verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit. Was man den Autoren aber wirklich übelnehmen muss, ist die Tatsache, dass die Protagonisten keine menschlichen Beziehungen mehr untereinander entwickeln, obwohl immer wieder behauptet wird, sie wollten bloß ein normales Leben haben. Die Ziele und Beziehungen sind bloße Behauptungen, die nicht erzählt werden und die, wenn es die Handlung vorantreibt auch sofort wieder verraten oder aufgegeben werden. Was ist eigentlich aus der Figur Micah geworden? Diese Figur ist ohne einen erzählerischen Abschluss einfach aus der Serie verschwunden. In der vierten Staffel wird deutlich, wie die Figuren der Handlung untergeordnet werden und nur noch funktional eingesetzt werden die Handlung voranzutreiben. Dadurch wird eine Identifikation oder Interesse des Zuschauers mit den Figuren völlig unmöglich. Wenn man sich dann noch anschaut, was für einen Plan Samuel am Ende tatsächlich hat, fasst sich jeder Zuschauer an den Kopf. Es gibt keinen Grund mehr, sich diese Serie anzuschauen.

 

Staffel 5

Fünf Jahr nach dem Staffelende der Serie Heroes haben die Macher versucht die Serie unter dem Titel Heroes Reborn wiederzubeleben. Nur Noah Bennett hat in der Neuauflage eine tragende Rolle, ansonsten sind die wichtigsten Protagonisten aus den ersten vier Staffeln verschwunden. Einige wenige Figuren tauchen am Rande in kleinen Nebenrollen auf, um den verworrenen Handlungssträngen eine Richtung zu geben.

Der Zwiespalt zwischen Menschen und den Personen mit übermenschlichen Fähigkeiten wird bewusst geschürt, indem die Heroes für einen terroristischen Anschlag in Odessa, Texas verantwortliche gemacht werden. Gleichzeitig droht eine Naturkatastrophe, die die Menschheit auslöschen könnte. Die Firma Getaway unter der Leitung von Erica Kravid versucht eine Welt in der Zukunft nach ihren Vorstellungen zu gestalten indem sie die Heroes einfängt und benutzt, während die freien Heroes, die von den Menschen wegen des Terroranschlags gejagt und getötet werden, versuchen die Katastrophe abzuwenden. Im Prinzip erzählen alle Handlungsstränge diverse Verfolgungsgeschichten, die auf den drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stattfinden.

Den zahlreichen kunstvoll miteinander verknüpften Handlungsstränge auf den verschiedenen Zeitebenen zu folgen ist eine anspruchsvolle Herausforderung. Warum die Serie aber keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, liegt an den dramaturgischen Versäumnissen. Es werden kaum Beziehungsgeschichten erzählt oder weiterentwickelt, die vorhandenen Beziehungen stehen lediglich als Behauptung im Raum. Wie schon in den Staffeln zuvor, wechseln die Protagonisten die Seiten wie es ihnen gerade passt. Jegliches Fehlen von moralischen Werten macht die Figuren schwach und unglaubwürdig. Die Persönlichkeiten der Figuren sind dabei immer den Erfordernissen der Handlungsstränge unterworfen. Wie die Konzernchefin Erica Kravid, die wirklich jeden Menschen, mit dem sie zu tun hat, belügt und manipuliert, sich an der Spitze eines Milliardenkonzerns halten kann, ist eine der Fragen, die man sich bei dieser Serie nicht fragen darf. Es geht in dieser faschistoiden Serie um Rassismus und die Erschaffung des Übermenschen, aber eine derart unkritische und unreflektierte Gesellschaft, die jedes Problem mit Mord und Totschlag zu lösen sucht, ist eine zutiefst langweilige Welt. Die Serie leugnet jeglichen moralischen Konflikt und begründet jeden Verrat und jede Schandtat mit dem Postulat des Schutzes der eigenen Familie. Der Schritt, die Kinder in eine selbstbestimmte Welt zu entlassen, fehlt. Die Eltern, der Staat, der Konzern, alle wissen besser, wie die Menschen zu leben haben. Da wird einem Angst und Bange. Bis auf die erste Staffel sollte man sich gut überlegen, ob man sich diese Serie antun will.