Die israelische Serie Hatufim ist die originale Vorlage für die amerikanische Serie Homeland. Die Grundidee für beide Serien ist die Freilassung von Soldaten, die jahrelang in Gefangenschaft waren und die durch das Stockholm-Syndrom möglicherweise umgedreht worden sind. Bei Homeland kommt der US-amerikanische Soldat Nicholas Brody nach 9 Jahren aus der Gefangenschaft des Iraks zurück, bei Hatufim geht es um drei Soldaten, die nach 17 Jahren aus der Gefangenschaft im Libanon entlassen werden sollen, wobei einer von ihnen scheinbar nicht überlebt hat. Die Unterschiede im Handlungsverlauf und in der Auswahl der Protagonisten sind derart gravierend, dass man von zwei völlig verschiedenen Serien reden muss. Zu beurteilen, welche der beiden Serien die bessere sein soll, ist daher vollkommen unmöglich. Bei Homeland handelt es sich um die Auswirkungen des Drohneneinsatzes im vorderen Orient und entfesselt dabei eine gesellschafts-politische Kritik an der amerikanischen Regierung wie man es vorher, bis vielleicht bei den Serien von David Simon (The Wire, Treme, Generation Kill, The Corner), noch niemals zuvor im Fernsehen gesehen hat. Die erste Staffel von Hatufim ist ein Beziehungsdrama von aus der Kriegsgefangenschaft entlassenen traumatisierten Männern.

Bei Homeland versucht eine Analystin des CIA herauszufinden, ob der befreite Soldat in der Gefangenschaft umgedreht worden ist und eine Gefahr für Amerika sein könnte. Bei Hatufim versucht ein Psychologe des Geheimdienstes herausfinden, was die beiden befreiten Soldaten in der Gefangenschaft erlebt haben und hat den Verdacht, dass sie etwas verbergen. Die Geschichte der befreiten Soldaten wird in beiden Serien mit vollkommen unterschiedlichen Mitteln erzählt. Homeland erzählt mit den Mitteln eines Spionage- und Verschwörungsthrillers die Jagd nach der Wahrheit. Bei Hatufim wird eine psychologische Studie entworfen, wie die beiden befreiten Soldaten von ihrem Umfeld empfangen werden und welche Schwierigkeiten sie bei der Eingliederung in ihr familiäres Umfeld haben. Nimrod hatte zum Zeitpunkt seiner Gefangenschaft seine schwangere Frau und seine 2-jährige Tochter zurückgelassen. Uris Freundin hatte nach 5 Jahren die Hoffnung aufgegeben und den Bruder geheiratet, mit dem sie einen gemeinsamen Sohn hat. Bei Uris Rückkehr verschweigt sie auf Anraten des Geheimdienstes ihre Heirat mit dem Bruder. Beide Männer sind durch die jahrelange Folter in der Gefangenschaft hochgradig traumatisiert und können und wollen darüber nicht reden. Nimrods Frau, die jahrelang öffentlich um die Freilassung ihres Mannes gekämpft hat, kann kein Verständnis für die Verletzungen ihres Mannes aufbringen und betrachtet die Weigerung diese mit ihr zu teilen als Vertrauensbruch. Auch die Kinder finden keinen Zugang zu dem fremden Mann, der ihr Vater sein und auf einmal eine Rolle in ihrem Leben spielen soll.

Obwohl alle Voraussetzungen vorhanden sind um die Beziehungsdramen der drei gefangenen Soldaten und ihrer Familien zu erzählen, wird in der ersten Staffel der Schwerpunkt nicht auf die Entwicklungen der Beziehungen nach der Rückkehr gelegt, sondern auf deren Erstarrung. Dies wird immer wieder durch Rückblenden begründet, in denen die drei Soldaten gefoltert werden. Sie können sich ihrem Umfeld nicht mitteilen, weil sie durch die Folter traumatisiert sind und nicht darüber reden wollen. Es wird in der Serie nicht viel geredet, sondern viel geschwiege. Auch die Folterepisoden erzählen nichts anderes, als dass die Soldaten Gewalt erfahren haben. Warum sie gefoltert wurden und was ihre Peiniger von ihnen wollten, wird an keiner Stelle erzählt. Hinzu kommt, dass fast alle Protagonisten eindimensional auf ihre Rollen festgelegt sind, die sich nicht verändern. Nur Uris Freundin macht im Laufe der Geschichte eine Verwandlung durch. Serien leben aber von der Entwicklung der Beziehungen. Die Verweigerung diese Entwicklungen zu erzählen, machen die Rezeption der Serie zu einer mühsamen Angelegenheit. Es ist vollkommen unverständlich, warum die unmotivierten Folterszenen erzählt werden, warum die beiden Soldaten n nach ihrer Rückkehr keine psychologische Betreuung in Anspruch nehmen und warum die Kinder von Nimrod keine Beziehung zu ihrem Vater aufnehmen. Man hat häufig den Eindruck, dass die Handlungsverläufe nach einem festgelegten Prinzip erzählt und nicht aus der Persönlichkeit der Figuren entwickelt werden.

In der zweiten Staffel ändert sich dann alles. Die beiden überlebenden rückgekehrten Soldaten erfahren was mit dem dritten Soldaten, Amiel, passiert ist. Beide reagieren vollkommen unterschiedlich auf diese Erkenntnis. Nimrod verdrängt und ignoriert das Schicksal von Amiel, während Uri die Behörden informiert und alles offenlegt. Es stellt sich heraus, dass der Mossad die ganze Zeit wusste, wo die drei Soldaten sich während ihrer Gefangenschaft aufgehalten haben. Der Erzählduktus wird in der zweiten Staffel vollkommen verändert. Es geht nicht mehr um ein psychologisches Familiendrama, sondern um eine Spionage- und Verschwörungsgeschichte. Der Schwerpunkt der Erzählung wird auf Amiels Leben unter den islamischen Terroristen im Libanon gelegt, während Nimrod und vor allem Uri auf israelischer Seite versuchen, die Wahrheit herauszubekommen, was mit Amiel passiert ist.

Die zweite Staffel wird durch den Genrewechsel im Erzählstil vielschichtiger und spannender. Trotzdem verändern sich die Protagonisten kaum und sind auf ein bestimmtes Erzählprinzip festgelegt. Dies verhindert, dass man als Zuschauer Widersprüchlichkeit der Protagonisten erkennen kann. Selbst Amiels Leben unter den Terroristen ist eindimensional angelegt und frei von jedem Zweifel, was man mit dem Stockholm-Syndrom zu erklären versucht. Aber die Behauptung entlässt den Drehbuchautor nicht aus der Verantwortung zu erzählen, wie das Syndrom seine Wirkung entfalten konnte. Durch die Eindimensionalität fast aller Protagonisten wird vermieten, eine Haltung oder Kritik an den politischen Zuständen auszuformulieren. Zwar wird deutlich, wie schwierig es für den einzelnen auf israelischer Seite oder unter den Terroristen ist, dem vorherrschenden gesellschaftlichen System zu entkommen. Aber was bei Hatufim grundsätzlich vermieden wird, ist für die andere Seite Verständnis aufzubringen. Diesen Fehler haben die Autoren bei Homeland nicht gemacht.