An den ersten beiden Staffeln der Serie Fargo kann man sehr gut erkennen, was passiert, wenn ein zentrales Element des dramaturgischen Erzählens fehlt.

In der ersten Staffel lernt der lebensuntüchtige Lester Nygaard, der von seinem ehemaligen Mitschüler Sam seit Jahren gedemütigt und zusammengeschlagen wird, in der Notaufnahme im Krankenhaus den Profikiller Lorne Malvo, der ihm anbietet einen Gefallen zu machen und den Peiniger zu töten. Als dieser Sam, der dem organisierten Verbrechen von Fargo angehört, kurze Zeit später ermordet aufgefunden wird, entfesselt dieser Mord bei Lester seine unterdrückten Aggressionen und er tötet im Affekt seine Frau. Bei der Vertuschung dieser beiden Morde wird der Sheriff in Lesters Wohnung von Malvo getötet. Zwischen seinen Schuldgefühlen und dem Gefühl der Omnipotenz gefangen, zerreißt es Lester Nygaard innerlich beinahe und man kann beobachten, wie er im Laufe der Geschichte langsam durchdreht. Die hochschwangere Polizistin Molly Solverson ermittelt den verworrenen Fall, bei der ein Autounfall, eine erfrorene Leiche im Wald und das organisierte Verbrechen eine Rolle spielen. Am Anfang hat man als Zuschauer den Eindruck, dass diese dicke unansehnliche Person nicht auf drei Zählen kann, aber am Ende ist sie es, der es auch entgegen der Anweisung ihres Vorgesetzten keine Ruhe lässt, solange weiter zu ermitteln, bis alle losen Fäden geklärt sind. Als Figur ist sie widersprüchlich angelegt, da sie sich trotz ihrer Schwangerschaft der Gefahr aussetzt und hinter dem Rücken ihres Chefs agiert wie sie es für richtig hält. Zusammen mit dem schüchternen Polizisten Gus Grimley, in den sie sich verliebt, löst sie den Fall, der in einem Showdown im Schneegestöber endet.

Obwohl die langsame Erzählweise der zweiten Staffel gar nicht so weit von der ersten Staffel entfernt ist, fehlt der zweiten Staffel das entscheidende Moment, dass man sich für die schrägen Figuren, die vor Dummheit und Gewalttätigkeit nur so strotzen, interessieren mag. Dabei sind die Darsteller und das visuelle Konzept mit langen Einstellungen und Splitscreen-Einstellungen herausragend in Szene gesetzt und die Absurditäten der Geschichte haben ihren Reiz. Aber unter dem Strich schafft es die Serie nicht, eine Identifikationsfigur zu etablieren.

Die zweite Staffel handelt von Peggy Blumquist, die einen Mann überfahren hat, der unmittelbar vor dem Unfall in einem Diner eine Richterin und alle Augenzeugen erschossen hat. Anstatt vernünftiger Weise die Polizei zu rufen, versucht sie in Panik zusammen mit ihrem Mann Ed, der der Metzger im Ort ist, die Fahrerflucht zu vertuschen. Der Tote ist der Sohn eines kriminellen Familienclans, der gerade in einen Bandenkrieg mit dem organisierten Verbrechen von Minnesota verwickelt ist. Die Polizei hat alle Hände damit zu tun die Leichen aus dem Bandenkrieg und aus der Verfolgungsjagd nach den Blumquists auseinander zu halten.

Was der zweiten Staffel fehlt, sind widersprüchliche Figuren und die Erzählungen der Beziehungen der Figuren untereinander. Alle Beziehungen sind von vornherein etabliert und verändern sich im Laufe der Geschichte kaum. Sheriff Solverson und seine krebskranke Frau sind positive Figuren, die Gerhardts und die Killer aus Minnesota sind böse, Peggy und Ed Blumquist verhalten sich von Anfang an dumm und ignorant und entgehen dem Tod immer wieder auf absurde Weise, obwohl sich an ihrem Wegesrand die Leichen nur so stapeln.

Wenn man als dramaturgische Grundlage die Dreiaktstruktur und die Reise des Helden im Hinterkopf hat, dann entspricht die äußere Handlung des Helden im Hauptteil der äußeren Handlung der Serie. Die innere Handlung des Heldens entspricht aber gemäß der Prämisse, dass sich Serien durch Beziehungen erzählen lassen müssen, der Liebesgeschichte zwischen Molly Solverson und Gus Grimley in der ersten Staffel. In der zweiten Staffel fehlt solch eine Liebesgeschichte oder sonst wie geartete sich entwickelnde Beziehungsgeschichte. Das ist der Grund, warum die zweite Staffel den Eindruck vermittelt, es würde ihr etwas fehlen.