Die Serie Better Call Saul handelt von dem Rechtsanwalt Saul Goodman sechs Jahre vor den Ereignissen in der Serie Breaking Bad. In Breaking Bad ist Saul Goodman ein windiger Anwalt, der jedes schmutzige Geschäft übernimmt, wenn es um möglichst viel Geld geht. In der Serie Better Call Saul heißt der Anwalt noch James McGill und von der ersten Minute steht die Frage im Raum, warum der Anwalt seinen Namen in Saul Goodman geändert hat? Die Erwartung des Zuschauers, dass hier die Geschichte eines korrupten Anwalts erzählt wird, wird von Anfang an unterlaufen.

Staffel 1

James McGill hat sein Büro im Lagerraum eines asiatischen Schönheitsstudios eröffnet und versucht während der ersten Staffel nichts anderes zu sein als ein guter Anwalt. Er versorgt seinen schizophrenen Bruder, der sich aus Angst vor elektrischer Strahlung in seinem abgedunkelten Haus verbarrikadiert hat und deckt den systematischen Betrug einer landesweit agierenden Altersheimkette auf. James McGill scheint ein guter Mensch zu sein und mit seiner rhetorischen Begabung, findet er auch genügend Mandanten aus dem Altersheim, die ihm folgen ohne dass ihnen wirklich klar ist, dass jemand ihre anwaltlichen Interessen vertritt. James McGill hat die Begabung, aus nichts einen Elefanten zu machen oder aus der scheinbaren normalen Altersheimrealität einen millionenschweren Betrug zu konstruieren. Die aberwitzige Kreativität seiner anwaltlichen Tätigkeiten und Auslegung der Gesetzeslage ist seine Stärke und Achillesverse zugleich. Er redet seine Gesprächspartner in Grund und Boden, und dennoch zeigen die großen Anwaltskanzleien ihm jedes Mal die kalte Schulter, wenn er mit ihnen zu tun hat. Obwohl James McGill seinen paranoiden Bruder Howard fürsorglich versorgt, versteht man lange nicht, warum dieser ihn bei seiner Karriere als Anwalt nicht nur nicht unterstützt, sondern aktiv zu verhindern sucht. Howard ist der Seniorpartner einer großen Anwaltskanzlei und trotz seiner psychischen Probleme unumstrittener Chef der Firma. Der Moment als James McGill klar wird, dass sein psychisch kranker Bruder ihn aufgrund seiner Persönlichkeit für unfähig hält, ein guter Anwalt zu sein, ist einer der bittersten Momente der ersten Staffel.

Der Killer Mike, der in Breaking Bad immer die Schmutzarbeit erledigt, spielt auch in Better Call Saul eine Hauptrolle. Als ehemaliger Cop hat er einen Job als Parkwächter auf einem Parkplatz vor dem Gerichts- und Polizeigebäude, wo er als Running Gag immer wieder mit James McGill in eine Auseinandersetzung gerät, weil dieser nie genügend Geld für die Parkgebühren dabei hat. Als Mike aber einmal einen Anwalt benötigt, kommen die beiden ins Geschäft.

Der geniale erzählerische Kniff der ersten Staffel ist das Spiel mit der Erwartung des Zuschauers. Der Zuschauer weiß aus Breaking Bad, dass Saul Goodman ein halbseidener Rechtsanwalt ist und man wartet die ganze Zeit auf den Moment, wo er sich in einen Ganoven verwandelt. Aber egal was für Katastrophen, Rückschläge und Ungerechtigkeiten er erleiden muss, er bleibt in der ersten Staffel ein anständiger Mensch. Der Clou der ersten Staffel ist, dass James McGill am Ende seinen großen Fall zur Anklage bringt und tatsächlich ein Angebot von einer großen Anwaltskanzlei erhält. Allerdings ist es da leider zu spät. Er hat sich bereits dafür entschieden, nicht mehr nach den gesellschaftlichen Regeln zu spielen. Die großen Kanzleien operieren zwar nach streng festgelegten Regeln, aber mit Gerechtigkeit hat deren Vorgehen nach seiner Auffassung nichts zu tun. Der Zynismus der juristischen und gesellschaftlichen Regelkonformität steht hier im krassen Gegensatz zu seinen praxisorientierten Schummeleien. Und obwohl sein Bruder Howard ein brillanter, streng regelkonformer Anwalt ist, verhält er sich seinem Bruder gegenüber unehrlich. James McGill hat im Laufe der ersten Staffel eine innere Wandlung vom guten Menschen zu einem schlechten Menschen gemacht, der sich vornimmt, nicht mehr nach den Regeln der Gesellschaft zu spielen und das nächste Mal zuzugreifen, wenn 1,4 Millionen Dollar auf dem Tisch liegen. Er ist gewissermaßen zu dem Menschen geworden, den sein Bruder Howard in ihm sieht.

Staffel 2

In der zweiten Staffel von Better Call Saul heißt James McGill immer noch nicht Saul Goodman. Als er sich allerdings am Anfang der ersten Episode in einen Müllraum eingeschlossen hat und erst nach Stunden von einer Putzkraft befreit wird, sieht man an einer Wand die Initialien „S.G. was here“ eingeritzt.

Die zweite Staffel ist nach erzählerischen Gesichtspunkten eine der herausragendsten und anspruchvollsten Serien, die jemals hergestellt worden ist. Wie hier die psychologischen Persönlichkeiten der vier Hauptfiguren im Zusammenhang mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit verknüpft werden und wie dadurch die gesellschaftlichen Wertevorstellungen und menschlichen Ideale über in Frage gestellt werden, ist erzählerisch nicht mehr zu überbieten.

Die zweite Staffel erzählt die Geschichten von vier Personen, deren Schicksal eng miteinander verbunden ist. James McGill hat das Jobangebot einer großen Kanzlei angenommen, seine Freundin Kim Wexler versucht in der Kanzlei seines Bruders Chuck Karriere zu machen, Chucks Angst vor Elektrostrahlung wird durch den Hass auf die anwaltlichen Aktivitäten seines Bruders überlagert und der Parkwächter Mike übernimmt einen Nebenjob als Securitymann, der ihn in Teufels Küche bringen. Kim liebt James McGill für die kreative und unorthodoxe Herangehensweise bei juristischen Problemen, und sie liebt ihn, wenn er irgendwelche Idioten mit seinen Hochstablergeschichten einseift. Aber sie ist unnachgiebig, wenn er die Regeln der Anwaltskammer verletzt und sich außerhalb des Gesetzes bewegt. Sie ist die Wandlerin zwischen der stupiden juristischen Welt der Reglementierung und der absurd-komischen Kreativität ihres Freundes James. Genau aus diesem Grund verachtet Chuck seinen schillernden Bruder James und nimmt bei seinem Kampf gegen ihn in Kauf, dass er sich in der verhassten Außenwelt der elektronischen Strahlung aussetzen muss. Auch der Parkwächter Mike nimmt sehr viel auf sich, um einen Verbrecher aus dem Verkehr zu ziehen ohne ihn töten zu müssen. Er versucht mit aller Kraft die gesellschaftlichen Regeln einzuhalten und verursacht dadurch den Tod mehrerer Personen. Das Thema in allen diesen Geschichten mündet in die Frage, wie kann man in einem streng reglementierten Sozialsystemen der Gesellschaft, einer Anwaltskanzlei oder dem organisierten Verbrechen überleben? James McGill beugt das Recht um eine gerechte, menschliche Lösung zu finden, der Anwalt Chuck hält sich streng an das gesellschaftliche und juristische Regelwerk, um unehrliche und habgierige Erfolge einzusammeln. Und Mike sorgt mit der Waffe für Gerechtigkeit wo gesellschaftliche und juristische Regeln nicht mehr greifen und macht sich gerade dadurch um ein Vielfaches schuldiger. James Freundin Kim ist in diesem widersprüchlichen Spannungsfeld hin und her gerissen und wird am Ende dazu gezwungen, eine Abwägung zwischen Gewissheit und Beweiskraft zu treffen, die zu gleichen Teilen ihre Wut und Zuneigung zum Ausdruck bringt. Das Beziehungsdrama zwischen den Brüdern James und Chuck endet dennoch in einem unfassbaren Verrat.