The Arrow ist eine Superhero-Serie aus dem Hause DC Comics. Wen es nicht stört, dass die Hauptfigur in einem grünen Robin-Hood-Lederdress mit Pfeil und Bogen die Bösewichter der Stadt Starling City bekämpft, ist bei dieser Abenteuerserie gut aufgehoben.

Oliver Queen überlebt als einziger den Mordanschlag auf die Yacht seines Vaters. Nach 5 Jahren auf einer einsamen Insel taucht der totgeglaubte Sohn wieder bei seiner Familie auf und beginnt als Arrow die Stadt Starling City von den Bösewichtern zu säubern, mit denen sein Vater früher gemeinsame Sache gemacht hatte und die für seinen Tod verantwortlich sind. Die Serie erzählt in parallelen Strängen, wie Oliver Queen in seiner Stadt gegen das organisierte Verbrechen kämpft und wie er sich auf der Insel zum Kämpfer und Bogenschützen entwickelt hat. Oliver Queen nimmt sich anfangs vor, allein und geheim seinen Weg zu gehen, ohne jemanden einzuweihen. Im Laufe der Serie über alle Staffeln hinweg wird der Kreis der Personen, die sein Geheimnis kennen, immer größer. Um Oliver Queen bildet sich ein kompliziertes, geheimes Beziehungsgeflecht, das familiäre Strukturen aufweist und damit eine Grundvoraussetzung für serielles Erzählen erfüllt: Die Serie ist dort stark, wo sie die Beziehungen der Protagonisten untereinander beschreibt.

Ein erzählerisches Grundprinzip der Serie Arrow ist die Lüge und die Geheimhaltung, was dann zwangsläufig auch die Themen Vertrauen und Vertrauensverlust miteinschließen. Dieses Grundprinzip ist bei Arrow Schwäche und Stärke des dramaturgischen Erzählens zugleich: So ziemlich alle Protagonisten, allen voran die Hauptfigur Oliver Queen, belügen sich gegenseitig unter dem Vorwand, die Angehörigen schützen zu wollen. Mit diesem Prinzip entfaltet sich ein ungeheures dramaturgisches Potential, das die Handlung vorantreibt und zugleicht destruktiv für das Beziehungsgeflecht untereinander ist.

Ein Beispiel für diese Dynamik kann man an dem Verhältnis von Oliver Queen zu seiner ehemaligen Freundin Laurel Lance beleuchten, die mittlerweile Staatsanwältin ist und mit ihrem Vater Quentin Lance, einem leitenden Police Detective, den Arrow jagt. Der Arrow bekämpft zwar die Bösewichter der Stadt zu denen auch korrupte Politiker und Wirtschaftsbosse gehören, aber er übt Selbstjustiz und schreckt vor Mord nicht zurück, was die Staatsmacht nicht dulden kann. Für Oliver Queen ist diese Mission als Arrow aber Rache und Buße zugleich. Er rächt den Tod an seinem Vater und zerstört die Existenzen der Personen, die an dem Anschlag auf die Yacht beteiligt waren. Gleichzeitig fühlt sich Oliver Queen schuldig am Tod von Laurels Schwester Sara, mit der er Laurel betrogen hat und die er heimlich auf die Schiffsreise genommen hat. Als Oliver nach fünf Jahren wieder auftaucht, ist er aus Laurels Sicht für den Tod der Schwester verantwortlich. Die Gefühlslage ist also extrem widersprüchlich und es ist überhaupt nicht vorhersehbar, wie die beiden miteinander umgehen werden. Der Zuschauer hat gegenüber Laurel den Wissensvorsprung, dass Oliver ja der Arrow ist, gegen den sie ermittelt. Dieser Wissensvorsprung sorgt permanent für Suspense-Spannung. Die Situation wird noch verworrener, nachdem der Arrow Laurel das Leben gerettet hat und sie von ihm erotisch angezogen ist. Wie wird sie reagieren, wenn sie herausbekommt, wer sich hinter dem Arrow verbirgt oder was für ein geheimes Doppelleben Oliver Queen in Wirklichkeit führt?

Es ist atemberaubend wie im Verlauf der Serie Arrow die Beziehungen der Protagonisten untereinander entwickelt werden und wie das wachsende und vielfältige Beziehungsgeflecht der Figuren erzählerisch organisiert ist. Obwohl die Gefahr der Aufdeckung von Geheimnissen und Lügen permanent für Spannung sorgen, hat das Erzählprinzip mit der Lüge aber auch seine Grenzen. Um ein Lügengebäude aufrecht zu erhalten, braucht es intelligente Mitspieler und gute Gründe, damit der Vorteil der Lüge gegenüber der Wahrheit tragfähig bleibt. Als Zuschauer hat man aber vor allem im späteren Verlauf der Serie den Eindruck, dass das prinzipielle Lügen und Verschweigen von den Drehbuchautoren über die Plausibilität und Vernunft gestellt wird. Bei jeder Lüge muss der Zuschauer entscheiden, ob er diese Lüge für sinnvoll hält. Es stellt sich nicht die Frage, ob die Wahrheit jemals ans Tageslicht kommt, sondern wann und wie, und welche Konsequenzen die Wahrheit dann haben wird. Wenn eine Lüge vom Zuschauer als nicht tragfähig bewertet wird, schwächt dies die Figur und macht sie dümmer als sie ist. Tatsächlich trifft Oliver Queen immer häufiger einsame Entscheidungen und belügt seine engsten Vertrauten. Sofern aber eine Lüge nicht tragfähig ist oder die Entscheidung des Protagonisten nicht plausibel begründet wird, droht im schlimmsten Fall, dass der Zuschauer den viewing contract auflöst und sich verärgert von der Geschichte abwendet. Und die Protagonisten schlittern in eine vollkommen überflüssige Vertrauenskrise.

Es kommt der Verdacht auf, dass Moira Queen, die Mutter von Oliver und seiner Schwester, von dem Anschlag auf die Yacht gewusst hat oder sogar daran beteiligt war. Es ist offensichtlich, dass hier die Lüge notwendig ist um die Wahrheit herauszufinden. Die Lüge ist auch dann noch ein akzeptables Mittel, als der Seitensprung der Mutter herauskommt, der sie erpressbar macht. Aber spätestens als es um die Frage der tatsächlichen Vaterschaft der Kinder von Moira Queen geht, ist für den Zuschauer klar, dass ein Verschweigen dieser Information zu schwerwiegenden Konsequenzen führen wird. Es gelingt den Drehbuchautoren häufig nicht, diese letzten irreversiblen Konsequenzen überzeugend zu erzählen. Wenn der Zuschauer die Überzeugung hat, dass die alternative Entscheidung die richtig gewesen wäre, dann verliert die Geschichte ihren Rezipienten. Bei der Serie Arrow entsteht Vertrauen zu einer anderen Person nicht durch die Wahrheit, sondern durch die Bereitschaft sich mit der Lüge zum Wohle der anderen zu solidarisieren. Die Enthüllung der Wahrheit durch die Lüge ist hier das erzählerische Kozept.